Bundestag setzt Familiennachzug von Geflüchteten aus
In den 70gern und 80gern gab es das noch nicht.
Ich wuchs mit meinem Nennonkel Ismael auf. Er kam aus der Türkei und war der Untermieter meiner Oma. Bald ihr bester Freund.
Mindestens 2 mal im Jahr besuchten wir Oma und Ismael. Seine starken Arme hoben mich hoch und sein Grinsen hörte nicht auf, wenn ich auf seinem Schoß saß oder er mich drückte. Sein Sohn war genauso alt wie ich. Ich war wie ein kleines Stück von seinem Sohn. Mich sah er fast öfter als ihn. Er zeigte mir Bilder und erzählte von ihm und wenn ich sagte „du vermisst ihn sehr“ dann wurde sein Gesicht ganz still und die Augen matt und traurig.
Das tat mir schon als Kind sehr leid. Ich liebte wenn er kochte und Süßigkeiten mitbrachte. Sein Salat war mein Favorite. Jedes Weihnachten machte er den Salat. Und ich konnte es gar nicht abwarten, ihn essen zu dürfen. Seine Augen strahlten immer so, wenn ich sein Essen mochte.
Als er ging, war da nicht nur Leere für meine Oma. Sie vermisste ihn sehr. Bis zum Schluss, als sie starb. Er war ihr bester Freund. Über viele Jahre. Aber irgendwann wollte er zurück zu seiner Familie. Verständlich.
Familiennachzug gab es damals nicht. Wir nahmen nur die Arbeitsleistung und ließen die Leuten mit ihrer Sehnsucht allein.
Einmal im Jahr, aber nicht jedes Jahr ging Ismael in den „Heimaturlaub“. Meine Erinnerung ist schwach. Er machte alle schwere Arbeit für meine Oma. War eine große Hilfe. Es war für uns alle spürbar, als er nicht mehr da war. Da war ein Loch. Das Telefon an Weihnachten (unser gemeinsames großes Fest)sollte dann die Verbindungsweg-Strippe sein.
Jetzt gibt es wieder keinen Familiennachzug. Für geflüchtete Menschen. Die hier doch integriert werden sollen. Reinwachsen sollen. Ohne Familie geht das nicht. Weil da bleibt so ein großes Stück Herz immer bei der Familie. Ein fremdes Kind kann das eigene erinnern und das Herz erfreuen aber eben nicht ersetzen und wie er oft erzählte, war seine Lebensitustion und seine Freundschaft zu uns und Oma, er war ja Familie, nichts was seine Kunpels auch so erlebten. Die lebten allein. Ohne Einbindung. Wir waren sicher keine perfekte Familie, far from it, aber ein Start. Ein klein bisschen Familienersatz.
RIP Menschlichkeit, RIP Familennachzug
Ergänzung*:
Damals, als sogenannte Gastarbeiter:innen zu uns kamen, blieben ihre Familien meist in sicheren, friedlichen Ländern zurück. Sie vermissten einander, aber sie mussten sich in der Regel keine Sorgen um das nackte Überleben ihrer Familien machen.
Das ist bei Menschen auf der Flucht heute oft ganz anders. Viele Familien können sich nur leisten, eine Person loszuschicken und das ist dann meist der junge Mann. Nicht, weil Männer „bevorzugt“ werden, sondern weil allen klar ist: Für Frauen ist eine Flucht oft noch viel gefährlicher. Wenn ich entscheiden müsste, würde ich wahrscheinlich auch eher meinen Sohn losschicken als meine Tochter.
Auf diesen jungen Männern liegt dann eine riesige Verantwortung. Die Hoffnungen der Familie ruhen auf ihnen, oft überhöht und idealisiert. Sie sollen es irgendwie schaffen, Sicherheit finden, Geld verdienen, eine Perspektive aufbauen. Vielleicht sogar einen Platz vorbereiten, an dem die anderen später nachkommen können.
Das ist nun ausgesetzt.
*so ungefähr schrieb eine Kommentatorin und machte damit die perfekte inhaltliche Ergänzung zu meinem Post.